itp:ne | Nachhaltigere Chemie entlang der Leder-Lieferketten
Transformation zu einer nachhaltigeren Lederchemie ermöglichen
Ohne Chemikalien entsteht kein Leder. Die eingesetzten Chemikalien sind zum Teil sehr problematisch. Die damit verbundenen Risiken zu bewältigen, gestaltet sich angesichts der zumeist globalen Leder-Lieferketten und Warenströme schwierig. Wie unter diesen anspruchsvollen Rahmenbedingungen die Transformation zu einer nachhaltigeren Lederchemie gelingen kann, zeigt das Vorgehen eines interdisziplinären Teams auf der itp:ne mit Praktikern in dem Projekt „Nachhaltigere Chemie entlang der Leder-Lieferketten“.
Innovative Lösungsansätze aus einem systemischen Verständnis entwickelt
Mit der Szenario-Technik entstand ein gemeinsames, systemisches Verständnis der Herausforderungen einer nachhaltigeren Lederchemie. Darauf aufbauend entwarf das transdisziplinäre Team eine gemeinsame Zielvorstellung und Umsetzungsstrategien für die Lederchemie bis 2035.
In vier Teilprojekten erarbeiteten transdisziplinäre Teams auf der Basis des Transment-Ansatzes innovative Lösungsansätze: Rückverfolgbarkeit von Chemikalien in Produkten, Chemie- und Prozessinnovationen, Guidelines für das Produktdesign und Harmonisierung von Standards.
In die Projektbearbeitung sind die Ergebnisse einer Befragung des Bürgerpanels eingeflossen.
Die Einführungsseiten zum Lederprojekt finden Sie hier.
Ein Projektbericht folgt in Kürze.
Teilprojekt 1: Harmonisierung von Standards
Die Leder-Branche nutzt Standards für Umwelt- und Verbraucherschutz als Nachweis für die Qualität der Produkte. Die darin enthaltenen Anforderungen, wie Grenzwerte für Chemikalien, können jedoch sehr unterschiedlich sein. In der Praxis müssen Unternehmen zugleich mehrere Standards erfüllen, was erhebliche Ressourcen beansprucht. Ein Teilprojekt befasste sich daher mit einem zentralen Hebel, der Harmonisierung von Standards für eine nachhaltigere Lederchemie. Die Projektgruppe konnte sich allerdings zunächst nicht auf ein konkretes Harmonisierungsziel verständigen. Zum Projektende nimmt der Prozess wieder an Fahrt auf: Ein „Leitbild Nachhaltigere Lederchemie“ ist im Entstehen, an dem sich die Weiterentwicklung von Standards, aber auch von Unternehmensstrategien und Brancheninitiativen, orientieren soll.
Teilprojekt 2: Rückverfolgbarkeit von Chemikalien in Produkten
Nur wenn Unternehmen Kenntnis über die in ihren Produkten enthaltenen Chemikalien haben, können sie der sich dynamisch entwickelnden Anforderungen der Material Compliance proaktiv begegnen. Um auf eine solche Rückverfolgbarkeit von Chemikalien hinzuwirken, erarbeitete das Projekt Eckpunkte für einen branchenweiten Governance-Rahmen. Ziel ist es, Vertrauen zwischen den Akteuren herzustellen und den Aufwand der Berichterstattung möglichst gering zu halten.
Zudem erprobte das itp:ne Team mit Ricosta und Deichmann ein IT-Tool, in das die Lieferanten Informationen zu in den Schuh-Komponenten enthaltenen Materialien – bis hin zur Einzelsubstanz – eingeben.
Teilprojekt 3: Chemie- und Prozessinnovationen
Um nachhaltigere Produkte herstellen zu können, ist i.d.R. auch die Verbesserung der Herstellung von Chemikalien und chemischen Produkten notwendig. Dabei sind technische, ökonomische und organisatorische Aspekte zu berücksichtigen.
Methodisches Vorgehen und Ergebnisse
Ein transdisziplinäres Team organisierte internationale Workshops in der Lieferkette, in denen Fokusthemen für notwendige Detailuntersuchungen identifiziert wurden. Diese Fokusthemen wurden dann zunächst an der h_da weiter untersucht, teilweise publiziert und den Akteuren der Lieferkette als Machbarkeitsstudien zur Verfügung gestellt.
- Demonstration und Charakterisierung eines ausgewählten industriellen Milli-/Mikroreaktor hinsichtlich Vermischungsleistung, Wärmeübertragung, Strömungsführung
- Herstellung von Plattformchemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen in kontinuierlichen Verfahren
- Systematische Bewertungsverfahren von Herstellverfahren i.S. einer vereinfachten LCA
Durch die Studien wurden Akteuren auf Hintergründe und Handlungsmöglichkeiten im Detail hingewiesen und z.T. konkrete eigene Arbeiten dort initiiert.
Teilprojekt 4: Guidelines für das Produktdesign
Anforderungen des Produktdesigns erwiesen sich im Ziel-Szenario als zentraler Treiber. Daher entstand mit Akteuren aus Industrie, Wissenschaft und NGOs ein Handbuch für das Design von „nachhaltigem Leder“ – mit besonderem Fokus auf die Rolle von Chemikalien entlang des Lebenszyklus. Es leuchtet dabei nicht nur relevante Designaspekte aus. Vielmehr bietet es Hilfestellungen für Produktentwicklung, von der Bedarfsanalyse aufseiten der Kunden über die sorgfältige Materialauswahl bis zur Präsentation am „Point of Sale“.
»Das Vorhaben zu nachhaltigerer Chemie half uns, das komplexe Thema Lieferkettenkommunikation systematisch und in differenzierter Weise zu durchleuchten: Eine wesentliche Voraussetzung für lösungsorientiertes Arbeiten und Handeln.«
– Ekkehard Werner, Heller-Leder
PROJEKTDATEN
Dr. Julian Schenten
Prof. Dr. Frank Schael
Dr. Jonas Rehn-Groenendijk
Eleni Kaluziak
Rebecca Niebler
Im Prozess beteiligten sich unter anderem Consulting Service International Ltd., Deichmann SE, FILK Freiberg Institute gGmbH, GIZ GmbH, HELLER-LEDER GmbH & Co. KG, iPoint-systems GmbH, LLOYD Shoes GmbH, Öko-Institut e.V., Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e.V., Ricosta Schuhfabriken GmbH, Royal Smit & Zoon, Stahl Chemicals Germany GmbH, Sustainable Leather Foundation, Südwind e.V., Verband der Deutschen Lederindustrie (VDL), ZDHC
Final Conference - More Sustainable Chemistry in the Leather Supply Chains
16.11.2022, Online
mit 56 Teilnehmenden der globalen Lederlieferketten aus Industrie, Forschung, NGOs und Bildung.
Präsentationen & Videos der Konferenz
Gefördert im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ durch das BMBF und das Land Hessen, 2020-2022